In der digitalen Welt des 21. Jahrhunderts hat sich die Art, wie wir Beziehungen beginnen und führen, stark verändert. Plattformen wie Tinder, Bumble, Instagram oder auch klassische Dating Seiten bieten scheinbar endlose Möglichkeiten zur Kontaktaufnahme. In diesem Meer an Optionen entstehen allerdings auch neue Beziehung Phänomene, die früher kaum denkbar waren. Eines dieser Phänomene ist Benching – ein Begriff, der aus dem Englischen stammt und übersetzt so viel bedeutet wie „auf die Ersatzbank setzen“.
Beim Bleaching wird eine Person emotional warmgehalten, ohne dass es zu einer echten Beziehung oder einem klaren Abschluss kommt. Der Kontakt bleibt bestehen, Nachrichten werden gelegentlich beantwortet, Treffen vielleicht vorgeschlagen – aber ernsthafte Absichten bleiben aus. Der oder die „Bencher“ hält sich so mehrere Optionen offen, während die „gebuchte“ Person in Unsicherheit lebt.
Die psychologischen Mechanismen hinter dem Benching
Zwischen Hoffnung und Verunsicherung
Benching funktioniert nur, weil es auf emotionaler Ebene tief greift. Die betroffene Person wird mit kleinen Aufmerksamkeiten bei Laune gehalten – einer netten Nachricht hier, einem Like auf Instagram dort oder einem vagen Versprechen für ein Treffen. All das reicht aus, um Hoffnungen zu nähren, auch wenn diese nie erfüllt werden.
Psychologisch gesehen setzt Benching auf das sogenannte intermittierende Belohnungssystem – ein Prinzip, das auch bei Glücksspielen wirkt. Unvorhersehbare und unregelmäßige Bestätigungen führen dazu, dass Menschen umso stärker an eine potenzielle „Belohnung“ glauben. Im Dating-Kontext bedeutet das: Wenn der Bencher sich ab und zu meldet oder Interesse zeigt, bleibt die Hoffnung auf eine echte Beziehung bestehen, obwohl der Verlauf objektiv betrachtet ins Leere läuft.
Ego, Angst und emotionale Kontrolle
Die Gründe, warum Menschen andere branchen, sind vielfältig. Oft steckt Unsicherheit dahinter. Manche möchten sich Optionen offenhalten, weil sie Angst haben, sich festzulegen oder eine bessere Möglichkeit zu verpassen. Andere genießen schlicht das Gefühl, gebraucht oder begehrt zu werden – ganz ohne Verpflichtung.
Benching ist daher auch ein Mittel zur Machtausübung. Wer eine andere Person „auf der Bank“ hält, hat die Kontrolle – nicht über die Beziehung selbst, aber über die emotionale Dynamik. Der Bencher bestimmt, wann es Kontakt gibt und wann Funkstille herrscht. Für die betroffene Person ist das häufig schmerzhaft und frustrierend.
Wie erkennt man Benching?
Die subtilen Zeichen im Alltag
Benching ist schwer eindeutig zu erkennen, weil es meist keine klaren Grenzen gibt. Dennoch gibt es einige typische Anzeichen: Die Kommunikation ist unregelmäßig und meist oberflächlich. Pläne für gemeinsame Unternehmungen werden gemacht, aber oft kurzfristig wieder abgesagt oder verschoben. Es gibt kaum verbindliche Aussagen über den Beziehungsstatus, und auf Nachfrage reagiert der Bencher ausweichend oder sogar mit Charmeoffensiven, die kurzfristig beruhigen sollen.
Auch das Social-Media-Verhalten kann Hinweise liefern. Wenn jemand regelmäßig Ihre Beiträge liked oder kommentiert, aber keinen echten Kontakt außerhalb der digitalen Welt sucht, könnte es sich um Benching handeln. Hier verschwimmt die Grenze zwischen Interesse und Desinteresse besonders stark.
Der Unterschied zu Ghosting oder Breadcrumb Ing
Wichtig ist es, Benching von verwandten Phänomenen abzugrenzen. Beim Ghosting verschwindet die Person plötzlich und ohne Erklärung aus dem Leben – der Kontakt wird komplett abgebrochen. Beim Breadcrumbs hingegen streut jemand kleine Brotkrumen (also Nachrichten, Emojis, Likes), ohne jemals echtes Interesse zu zeigen. Benching ist eine Mischung aus beiden: Der Kontakt bleibt bestehen, aber es fehlt jede echte Entwicklung.
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Die emotionalen Folgen für Betroffene
Selbstzweifel und emotionale Abhängigkeit
Wer gebraucht wird, erlebt oft ein Wechselbad der Gefühle. Hoffnung und Enttäuschung wechseln sich ab, das Selbstwertgefühl leidet. Viele Betroffene beginnen, an sich selbst zu zweifeln: „Habe ich etwas falsch gemacht?“ oder „Warum reicht es nicht für mehr?“ sind typische Gedanken. Diese Unsicherheit kann sich auf das gesamte emotionale Wohlbefinden auswirken.
In vielen Fällen entsteht sogar eine Art emotionale Abhängigkeit. Da die kleinen Zeichen der Zuneigung immer wieder kurzfristig für Glücksgefühle sorgen, fällt es schwer, den Kontakt vollständig abzubrechen – selbst wenn der Kopf längst weiß, dass es keine Zukunft gibt.
Langfristige Auswirkungen auf das Beziehungsverhalten
Wer öfter gebraucht wird oder eine besonders intensive Erfahrung gemacht hat, verliert nicht selten das Vertrauen in andere. Neue Bekanntschaften werden misstrauisch beäugt, emotionale Nähe nur zögerlich zugelassen. Benching kann so langfristige Spuren hinterlassen und die Fähigkeit zur echten Bindung beeinträchtigen.
Was tun, wenn man gebraucht wird?
Ehrliche Selbstreflexion und klare Grenzen
Der erste Schritt besteht darin, sich die Situation bewusst zu machen. Wer feststellt, dass er emotional auf der Ersatzbank sitzt, sollte den Mut haben, sich selbst Fragen zu stellen: „Tut mir dieser Kontakt gut?“ – „Werde ich wirklich gesehen und wertgeschätzt?“ Die Antworten darauf sind oft schmerzhaft, aber notwendig.
Im nächsten Schritt geht es darum, klare Grenzen zu setzen. Das kann bedeuten, den Kontakt bewusst zu reduzieren oder ganz abzubrechen. Auch wenn das schwerfällt, schützt es vor weiteren emotionalen Verletzungen und schafft Raum für echte, gesunde Beziehungen.
Kommunikation: Klarheit einfordern
In manchen Fällen kann es helfen, das Gespräch zu suchen. Eine direkte, aber respektvolle Konfrontation kann dem Bencher den Spiegel vorhalten – und zumindest Klarheit schaffen. Sätze wie „Ich wünsche mir eine klare Richtung. Kannst du dir etwas Ernstes vorstellen?“ sind nicht nur legitim, sondern notwendig, um emotionale Energie nicht weiter zu verschwenden.
Auch wenn die Antwort negativ ausfällt, gibt sie der gebuchten Person die Freiheit, weiterzugehen – ohne ständig auf ein vielleicht zu hoffen.
Gesellschaftlicher Kontext: Warum Benching immer häufiger wird
Die Schattenseite der unbegrenzten Möglichkeiten
In einer Gesellschaft, in der ständiges Wippen, Matchen und Chatten zum Alltag gehört, wird Commitment zur Herausforderung. Warum sich auf eine Person einlassen, wenn hinter dem nächsten Wisch möglicherweise jemand „Besseres“ wartet? Diese Vorauswahl führt dazu, dass Menschen Beziehungen wie Produkte behandeln – schnell verfügbar, leicht austauschbar, ohne tiefere Auseinandersetzung.
Benching ist eine direkte Folge dieser Mentalität. Es passt perfekt in eine Zeit, in der emotionale Verantwortung oft als Belastung empfunden wird. Statt klarer Entscheidungen regiert das Prinzip des „Vielleicht“.
Die Rolle von Social Media
Auch soziale Netzwerke fördern das Benching-Verhalten. Likes, Stories und DMs ermöglichen es, in Kontakt zu bleiben, ohne wirklich präsent zu sein. Die permanente Sichtbarkeit des anderen macht es schwer, emotional abzuschließen – selbst wenn längst keine echte Verbindung mehr besteht.
Fazit: Benching erkennen und beenden
Benching ist mehr als nur ein lästiger Trend – es ist ein Ausdruck einer zunehmend unverbindlichen Beziehungskultur. Wer davon betroffen ist, sollte sich nicht als „zu sensibel“ oder „zu anspruchsvoll“ sehen, sondern lernen, sich selbst und die eigenen Bedürfnisse ernst zu nehmen.
Echte Beziehungen basieren auf Respekt, Verbindlichkeit und Kommunikation – alles Dinge, die beim Benching fehlen. Es lohnt sich, klar zu erkennen, wann man sich auf der Ersatzbank befindet, und die nötigen Schritte zu gehen, um wieder in den Mittelpunkt des eigenen Lebens zu treten.
